Tinnitus aurium ist eine weit verbreiteten Krankheit. Die Geräusche, die die Patienten an den Rand der Verzweiflung bringen, sind bei den einen - Brummen, Dröhnen, Läuten (wie von Glocken), Pulsieren, Pochen - und bei den anderen Patienten - Sausen, Singen, Summen, Surren oder Zischen. Es gibt Erscheinungen eines Widerhallens von Tönen. Es knackt im Ohr oder schnappt beim Kauen oder Schlucken. Die Geräusche sind permanent vorhanden oder sie stören in Intervallen. Sie verschlimmern sich beim Hören von Musik oder sie bessern sich beim Hören von Musik.
Die Ursachen sind eben so unterschiedlich wie die Symptome. Die Einen erkranken infolge eines Hörsturzes, die anderen Patienten auf Grund eines entgleisten Harnstoffwechsels und den Dritten ist die Halswirbelsäule blockiert.
Eine Heilung ist nur dann möglich, wenn solche Erkrankungen sehr differenziert und personenbezogen betrachtet und die wirklichen Ursachen bei der Therapie beachtet werden. Denn dass diese Erkrankung als eine Funktionsstörung nicht nur des Hörsystems anzusehen ist, kann nicht bestritten werden. Tinnitus ist in der Regel nur das Symptom, nicht die auslösende Krankheit. Äußere Ursachen, Traumen, die irreparable Schäden im Hörapparat verursacht haben, stellen den Behandler bei der Ursachenforschung vielleicht vor geringere Probleme. Aber schon ein Hörsturz ist wiederum eine Folge von größeren, kausalen Zusammenhängen im Körpergeschehen und nicht so einfach zu ergründen.
Da wundert es nicht, dass ein in jüngster Zeit besonders euphorisch gefeiertes Behandlungskonzept, dass darin besteht, Tinnitus-Patienten an ihre Ohrgeräusche zu gewöhnen (Motto: „Ich mache mir zwar immer noch in die Hosen, aber ich rege mich nicht mehr darüber auf“.), öffentlich nicht hinterfragt wird. Das ist ein Langzeit-Betreuungsprogramm, für das die Krankenkassen richtig viel Geld ausgeben werden. Für mich ist das ein Ausdruck absoluter Hilflosigkeit.
Ein Erklärungsmodell für solche Krankheitszusammenhänge findet man in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Ich weiß, das asiatische Verständnis von Krankheit auf unsere Begriffswelt zu übertragen, ist etwas schwierig. Aber solche Erkenntnisse sind zumindest Grund genug, bei Tinnitus an mehr zu denken, als nur an das Ohr und wie später ausgeführt wird, kommen wir auch auf anderen Wegen zu der Erkenntnis :
Auf Grund meiner Praxiserfahrungen glaube ich, dass es sich um einen Anteil von mindestens 60% handelt, bei dem ein Tinnitus darauf zurückzuführen ist. Die chinesische Medizin hat dafür folgende Erklärung: Die Niere und ihre Meridiane steuern neben Fortpflanzungsfähigkeit und Regeneration die Regulierung von Körperflüssigkeiten, die Funktionstüchtigkeit der Gelenke (Hüfte, Knie), den Haarwuchs, die Funktion der Ohren und die Gehirnfunktionen. Die Niere ist Ausgangspunkt der Lebenskraft.
Tinnitus kann also die Folge einer Nierenschwäche sein, die durch Überbeanspruchung des Organismus, u.a. durch Krankheiten, Stress, falsche Ernährung, Alkohol und Medikamentenabusus, entsteht.
Wenn z.B. im Sinne des Wortes ein Mangel an Wärme in den Nieren (tatsächlich spürbar im Nierenbereich!) besteht, fehlt es an Yang –Energie. Die Folgen sind u.a. Lumbago, kalte, schmerzende Knie, Schwindel, Unterfunktion der Schilddrüse und Tinnitus.
Bei einem Yin-Mangel (Yang-Überschuss) entstehen entgegengesetzte Symptome, wie Ansteigen der Körper-Temperatur, gerötetes Gesicht, (Nacht-) Schweiß, Schlaflosigkeit, Unruhe usw., aber auch Schmerzen im Kreuz und in den Fersen und wie gehabt Ohrgeräusche.
Andere Ursachen können gynäkologischen Probleme sein, die durch Kälte von innen (kalte Getränke, Salate usw.) oder von außen (kaltes Wetter, zu langes Baden) entstehen. Die Symptome solcher Störungen reichen von Schmerzen im Unterleib, die durch Wärme gebessert werden können, verspätete oder ausbleibende Regel, häufiger Harndrang (Nachts) usw. bis zum Tinnitus. Auch hier spielt eine Nieren/Blaseschwäche oft eine zusätzliche Rolle.
Auch Leberprobleme (Yin-Mangel/Yang-Überschuss) durch zuviel Alkohol, Rauchen, falsche Ernährung usw. führen zu Neurosen, erhöhtem Blutdruck, Beschwerden der Augen und der Ohren. Und natürlich müssen wir mit einer Nierenbeteiligung rechnen. Gibt es überhaupt Nierenprobleme, ohne dass der Leberstoffwechsel beteilt wird? Die Folgen sind Stress, Schwindel, Aggression, Kopfschmerzen usw. und Tinnitus.
Um solche Krankheitszusammenhänge bei einem Tinnitusfall zu erkennen, bedarf es einer umfassenden Anamnese und klinischer Untersuchungen des Patienten. Und natürlich bedienen wir uns zusätzlich empirischer Untersuchungsmethoden, die uns helfen recht schnell eine vernünftige differentialdiagnostische Antwort zu erhalten.
Eine dieser Methoden ist die Irisdiagnose, die Methode des Erkennens von Krankheiten aus dem Auge. Sie hat ihre Wurzeln auch in der Semiotik, der Lehre der Gesamtbewertung der Krankheitszeichen, die der Körper erzeugt (Haar-, Haut-, Augenfarbe, Harnschau, Handlesekunst, Nageldiagnostik, Zungendiagnostik usw.), die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zum Rüstzeug des Arztes gehörte. (Wo ist dieses Wissen geblieben?)
Die Irisdiagnose geht auf den ungarischen Arzt v. Peczely zurück, der seine Entdeckung 1881 zur Debatte stellte. Er lehrte, und daran hat sich bis heute nichts geändert, dass bestimmte Iriszeichen mit Organerkrankungen im Zusammenhang stehen. Das Phänomen der Iris-Konstitution und die augendiagnostischen Zeichen, Strukturen, Pigmentationen usw. , eröffnen auf Grundlage der Topographie des Auges Möglichkeiten, Ursachen und tendenziellen Verlauf einer individuellen Erkrankung und eine Disposition zu erkennen. Wir finden solche pathologisch zu bewertende Zeichen in der Iris und der Sklera des Auges.
Wenn bei der Irisdiagnose Störfelder in den sich gegenüberliegenden Irissegmenten des rechten Auges bei 50 bis 55 für das Ohr und 20 bis 25 für die Blase und des linken Auges bei 5 bis 10 für das Ohr und 35 bis 40 für die Blase gefunden werden, weist das zunächst auf den Zusammenhang Ohr – Blase hin und sie können Sie davon ausgehen, dass dieser Patient nicht nur ein Ohren- sondern vor allem ein Blase/Nierenproblem hat und man die Störungen der Niere/Blase beseitigen muss, um den Tinnitus zu heilen.
Eine weitere Methode solche Zusammenhänge zu erkennen ist die Ohrakupunktur. Sie ist natürlich in erster Linie eine Therapiemethode. Aber die Möglichkeiten, die das Ohr gleichfalls bietet, Krankheiten zu erkennen, werden häufig unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen.
Die Ohrakupunktur wirkt unglaublich entspannend und NOGIER hat sie daher für die Behandlung aller Leiden empfohlen, die das zentrale Nervensystem betreffen, u.a. bei Furcht, Platzangst, Besessenheit, Konzentrationsmängel, Schwindel, Stottern usw. Ihre ausgleichende und entspannende Wirkung wird daher auch bei der Behandlung von alten Menschen als besonders hilfreich empfunden. Eine besondere Bedeutung kommt der Ohrakupunktur bei der Suchtbehandlung zu. Verschiedene Behandlungsprogramme zur Entwöhnung bei Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabusus, zur Raucherentwöhnung oder bei der Bekämpfung der Esssucht geben dem Behandler die Möglichkeit, sich der individuellen Situation des Suchtkranken stellen. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass sich chronisches Krankheitsgeschehen im Ohr geometrisch, d.h. in Form von linear geordneten Punkten darstellt. Bereits in seinen ersten Veröffentlichungen wies NOGIER darauf hin, dass sich im Krankheitsfalle nicht nur mehrere Punkte des betroffenen Organs oder Organsystems, sondern auch die kausalen Zusammenhänge auf einer Energielinie im Ohr darstellen.
In der praktischen Arbeit mit diesen Behandlungslinien stellt es sich heraus, dass tatsächlich alle sich auf einer solchen Linie befindlichen Punkte, sofern sie virulent sind, einem Krankheitsgeschehen zuzuordnen sind. Um das zu verdeutlichen, möchte ich zwei Tinnitusfälle und deren Behandlung über das Ohr schildern.
Die Patientin ist eine 56jährige, hagere, sehr sensible Frau, die seit Jahren unter dröhnenden Ohrgeräuschen verbunden mit einer leichten Taubheit leidet.
Bei der Anamnese wird darüber hinaus festgestellt, dass sie Gelenkprobleme (Knacken), Harnverhaltungen, dabei aber einen ständigen Harndrang hat. Ihr Widerwille gegen Süßigkeiten ist auffallend. Außerdem leidet sie unter einem linksseitigen Ischiassyndrom, das sie häufig überfällt. Und sie hat Warzen besonders an den Händen und im Gesicht, die hart und zackig sind und zum Aufplatzen neigen.
Bei der Irisdiagnose werden Störfelder in den sich gegenüberliegenden Irissegmenten für das Ohr und die Blase gefunden, was wie oben schon ausgeführt auf die Ursache „Blase“ hindeutet.
Auch das Ohr zeigt im Bereich „Blase“ (in der Concha) eine erhebliche Anschwellung, die sich blass gegen das Umfeld abhebt. Bei der Punktsuche im Ohr bestätigt sich ebenfalls, was sich bei der Irisdiagnose gezeigt hat. Das gestörte Segment und damit der Behandlungsstrahl verlaufen durch den Blasenbereich, die gefundenen Punkte sind: “Blase”, L4/5, “Knie”, “Hypertonie” und “Allergie” und die Korrespondenzlinie verläuft durch den Punkt „inneres Ohr“ auf dem Lobulus.
Für die Ohrgeräusche besteht also ein ursächlicher Zusammenhang zu den Störungen im Bereich Nieren/Blase. In einem solchen Fall muss auf diese Causa eingegangen werden. Das Ohr (Innenohr) selbst ist als Erfolgsorgan bei der Behandlung in diesem Fall eher nebensächlich. In erster Linie müssen die Blase gestärkt und der Harnstoffwechsel in Ordnung gebracht werden. Die virulenten Punkte werden behandelt. Neben den aufgeführten Punkten wurden zusätzlich ein Lungenpunkt (Energiemangel), Punkt 100, Punkte auf der Linie der Töne und der Punkt “äußeres Ohr” gestochen.
Nach drei, im Abstand von jeweils zwei Wochen liegenden Behandlungen wurde eine signifikante Besserung gemeldet. Danach wurden die Behandlungsintervalle auf jeweils drei Wochen verlängert (nochmals vier Behandlungen!). Danach wurde die Behandlung erfolgreich abgeschlossen. Das liegt jetzt fast zwei Jahre zurück. Die Störungen sind bisher nicht wieder aufgetreten.
Ganz anders die Problematik bei einer jüngeren Frau von 34 Jahren. Sie kommt zur Behandlung wegen starker Depressionen und Angstzuständen. Sie ist voller Abwehr. Alles bedroht sie, alles ist zuviel. Sie hat ständig leichten Kopfschmerz und Schwindelgefühl. Sie muss Niesen am Morgen. Die Morgenübelkeit legt sich nach dem Frühstück. Das Zahnfleisch blutet leicht, fast ohne Veranlassung. Sie leidet unter aufgetriebenem Blähbauch und viel Aufstoßen, verschlimmert nach dem Essen. Ihr Stuhlgang ist ein Problem - Obstipation. Besonders abends hat sie Blasenkrämpfe und generell ein leichtes Brennen in der Harnröhre. Sie hat keine Lust auf Sex und leidet unter Senkungsbeschwerden im Unterleib. Ihr Mann geht ihr auf die Nerven. Ihre Spannschmerzen im linken Schulterblatt und die Schmerzen in der Brustwirbelsäule verschlimmern sich beim längeren Gehen. Dabei tritt häufig Ziehschmerz in den Waden auf, der bis zur Ferse reicht. Zusätzlich klagt sie über Schmerzen in der rechten Hüfte, die sich jedoch bei Bewegung bessern.
Sie hat eine trockene Haut und rote Flecken an Hals und Kinn.
Und sie hat Tinnitus, der sich am Abend und in der Nacht besonders bemerkbar macht. Am Tage ist es ein Sausen verbunden mit einem Gefühl, als wären die Ohren verstopft. Nachts verstärkt sich das Geräusch zu einem pulsartigen Brausen.
Die Behandlung erbrachte bereits nach der ersten Behandlung eine signifikante Entspannung der seelischen Situation, die sich nach einigen Behandlungen stabilisierte. Die Ohrgeräusche waren bereits nach der zweiten Behandlung nur noch sporadisch aufgetreten und sind später nicht mehr aufgetreten. Die Ursache Stress und endogene Probleme waren ganz augenscheinlich auslösend.
Ich möchte betonen, dass die Symptomatik der Fälle dieser Patientinnen den Weg für die Behandlung gewiesen hat. Das sind keine Rezepte für alle Tinnitusfälle! Diese Fallbeispiele sollen beispielhaft aufzeigen, wie eine Entscheidung über die Strategie einer Heilbehandlung zustande kommt. Die nächsten “Ohrgeräusche” sind schon wieder die eines anderen Menschen und haben wieder andere Ursachen.
Fragen zum Inhalt richten Sie bitte an:info@ak-ohrakupunktur.de
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